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Die wohnortnahe Versorgung durch Kassenärzte weist Lücken auf. Die bloße Subvention von zusätzlichen Stellen alleine ist keine nachhaltige Lösung, betont die Österreichische Ärztekammer.
„Grundsätzlich begrüßen wir die Schaffung neuer Kassenstellen, die wir als Österreichische Ärztekammer auch immer wieder gefordert haben“, sagte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, im Rahmen einer heutigen Pressekonferenz. Die alleinige Ansage, neue Kassenstellen zu schaffen, führe jedoch zu keiner notwendigen Veränderung: „Eine nachhaltige Lösung der Versorgungsproblematik im öffentlichen, niedergelassenen Bereich benötigt ein ganzes Bündel an strukturellen Maßnahmen“, betonte Wutscher.
Die subventionierten Bundes-Kassenstellen würden viele Fragen aufwerfen:
- Was geschieht mit den anderen offenen Kassenstellen? Werden diese ebenso mit bis zu 100.000 Euro Startbonus gefördert?
- Nach welchen Kriterien wird der Startbonus vergeben, wie erfolgt die Entscheidung, ob jemand die vollen 100.000 Euro erhält oder weniger?
- Wie geht es 2025 mit diesen subventionierten Kassenstellen weiter? Werden diese in die Regelfinanzierung der Krankenkassen übernommen? Wie erfolgt die langfristige Finanzierung?
- Wie erfolgt die Vergabe bei den 100 zusätzlichen Kassenstellen? Gelten hier dann die gleichen Reihungskriterien wie die bislang gültigen bei der Ärztekammer?
- Kann sich ein Arzt jetzt auf zwei Listen für eine Kassenstelle bewerben? Gibt es neben der regulären Bewerberliste für eine offene Kassenstelle eine parallel geführte Bewerberliste für die geförderten Kassenstellen?
Bis heute würden leider Details fehlen, wie die Umsetzung genau erfolgen solle. Durch die Förderung von bestimmen Kassenstellen entstehe eine Schieflage. Wutscher forderte, dass der Startbonus auf alle offenen Kassenstellen ausgebaut werden solle – und zwar über alle medizinischen Fächer.
Einheitlicher Leistungskatalog
Der Startbonus sei ein Faktor, der kurzfristig helfe, Bewerber für offene Kassenstellen zu finden. Allerdings: „Das allein wird keine nachhaltige Lösung bringen, denn dafür müssen die Arbeitsbedingungen langfristig verändert werden“, sagte Wutscher. Dazu gehöre auch, die kassenärztlichen Leistungen zu modernisieren. Die Bundeskurie hat bereits vor Jahren einen einheitlichen Leistungskatalog, in Absprache und enger Zusammenarbeit mit den Bundesfachgruppen, entwickelt: „Es ist in einer modernen Kassenmedizin nicht vertretbar, dass Patienten bundeslandabhängig unterschiedliche Leistungen erhalten“, betonte Wutscher. Moderne Leistungen und eine leistungsbezogene Honorierung ohne Limits und Degressionen würde das Kassensystem nicht nur wieder attraktiver für Ärztinnen und Ärzte machen, sondern auch die wohnortnahe Versorgung stärken und die Spitäler entlasten. Vorbild sei hier der jüngste Abschluss mit der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS). Neben einer Honorarerhöhung über viele Leistungen wurden zusätzliche Leistungen aufgenommen: „Das Verhandlungsergebnis kommt der Gesundheit der Patienten sehr zugute, daher bleibt zu hoffen, dass diese integrierten modernen Leistungen auch Vorbildwirkung für den Abschluss mit anderen Krankenkassen haben werden.“
Altersgrenze für Kassenverträge
In Zeiten, in denen so viel Bedarf an Kassenärztinnen und Kassenärzte bestehe, solle auch die Altersgrenze für Kassenverträge fallen, ergänzte Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. Die ÖÄK setze hier auf Freiwilligkeit: wer länger arbeiten möchte, solle das können. Unter der Voraussetzung, dass es keinen Nachfolger für die Kassenordination gebe: „Sobald es jemanden gibt, der die Kassenordination übernimmt, ist klar, dass die Stelle selbstverständlich dem Nachfolger überlassen wird“, sagte Bayer. Es sei aber klar, dass die Aufhebung der Altersgrenze zwar kurzfristig helfe, aber keine nachhaltige Lösung für den Kassenbereich sein kann: „Grundlegende Verbesserungen wie die Flexibilisierung des Kassenvertrages, der Abbau der Bürokratie, die Abschaffung von leistungsfeindlichen Hemmnissen wie Limitierungen und Degressionen sind neben dem einheitlichen Leistungskatalog nötig, um die Situation nachhaltig zu verbessern“, sagte Bayer. Überrascht zeigte er sich über die Begründung, warum der Gesundheitsminister die Altersgrenze nicht abschaffen möchte. Argumentiert habe er nämlich, dass bei Unterversorgung ohnehin Ausnahmen möglich seien und dass Kassenärzte ja als Wahlärzte weiterarbeiten könnten: „Derselbe Minister möchte die Zahl der Wahlärzte aber reduzieren und gleichzeitig fördert die Regierung Neugründungen mit bis zu 100.000 Euro“, kritisierte Bayer.
Keine Verpflichtungen, sondern Förderungen
Überhaupt müsse das System flexibler werden. Anstatt Anreize zu schaffen und die Kassenmedizin zu fördern, gebe es immer wieder Tendenzen, Wahlärzte zu verpflichten: „Das ist die falsche Richtung“, ist Bayer überzeugt: „Die Bedingungen für ein System zu verschlechtern, mit Zwängen und Verpflichtungen zu drohen, wird die Ärztinnen und Ärzte nicht verstärkt in die Kassenmedizin bringen – dafür benötigt es bessere Arbeitsbedingungen“, ist er überzeugt. Umfragen hätten gezeigt, dass Wahlärzte grundsätzlich in einen Kassenvertrag wechseln würden: „Sie möchten im öffentlichen Gesundheitssystem tätig sein, aber unter anderen Bedingungen als die derzeitigen“, sagte Bayer.
Zusammenfassend fordert die ÖÄK folgende Maßnahmen zur Förderung der Kassenmedizin:
- Keine Parallelstruktur von geförderten Kassenstellen vs. nicht geförderten – Startbonus für alle offene Kassenstellen, klare Umsetzungsrichtlinien
- Moderne kassenärztliche Leistungen, an die aktuellen Möglichkeiten in der Niederlassung angepasst, keine Limitierungen und Degressionen
- Umsetzung des einheitlichen Leistungskatalogs
- Abschaffung der Altersgrenze für Kassenstellen unter bestimmten Umständen
- Keine Verpflichtung von Wahlärzten, sondern Förderung der Kassenmedizin
- Klare Regelung bei Auslaufen von Förderungen in der Primärversorgung
Presseunterlage
Fotos
Foto Credit: Stefan Seelig
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