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Die sozialen Medien haben die Welt der Kommunikation von Grund auf verändert. Jeder kann dort seine Botschaften verbreiten – quasi ohne Einschränkungen, auch was die Aggression anonymer Postings angeht. Die Österreichische Ärztekammer widmete diesem traurigen Phänomen, das während der Corona-Pandemie noch verstärkt wurde und sich insbesondere auch gegen Ärzte richtete, eine Enquete mit den namhaftesten Experten.
„Anonymität im Netz begünstigt die rasante Verbreitung von Hassbotschaften und ermöglicht konzertierte Aktionen“, betonte Harald Schlögel, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, in seinem einleitenden Vortrag. Diese Anonymität ist es, die die Hemmschwellen senkt, falsche und angriffige Botschaften zu verbreiten – mit teils dramatischen und massiven Konsequenzen für das Leben von Menschen.
Besonders betroffen sind jene, deren Expertise große Auswirkung auf andere Menschen hat, also auch Ärzte, unterstrich er: „Während der Pandemie dienten Ärzte oft als Blitzableiter für Ärger über Maßnahmen oder Coronapolitik. Das Arzt-Patienten-Verhältnis beruht aber auf Vertrauen – und wenn dieses Vertrauen durch Aggressivität torpediert wird, wird dieses Vertrauen massiv erschüttert.“ Knapp 60 Prozent der Ärzte gaben 2019 in einer Umfrage an, dass sie den Eindruck haben, dass Gewalt gegen die Ärzteschaft zugenommen hat, sogar 97 Prozent haben in den vergangenen zwei Jahren von Kollegen gehört, dass sie körperlich oder verbal bedroht wurden. „80 Prozent wurden selbst bedroht“, fasste Schlögel zusammen. Die Ärztekammern haben darauf bereits reagiert, Ombudsstellen eingerichtet sowie besondere Angebote auf die Beine gestellt, wie etwa Anti-Aggressionstrainings.
Ernüchternde Analyse
Auf die juristische Facette gingen die beiden Wiener Rechtsanwälte Peter Zöchbauer und Johannes Öhlböck ein. Zöchbauer wies darauf hin, dass mit Jänner 2022 das „Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetzes“ in Kraft getreten sei, schränkte aber ein: „Ein Gesetz ist nur so gut, wie es sich bei seiner Anwendung bewährt. Daher ist abschließend zu beleuchten, ob die bestehenden Normen effizienten Rechtsschutz bieten und wie sie von der Praxis angenommen werden. Dabei zeigt sich eine ernüchternde Analyse.“ Öhlböck auf „Bewertungen“ im Internet ein. Seine Conclusio: „Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Bewertungen auf Internetplattformen vom Empfängerhorizont nicht für ‚bare Münze‘ genommen werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht.“
Die kommunikationswissenschaftliche Komponente beleuchteten die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig und der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Peter Filzmaier. Letzterer erklärte gewohnt pointiert, dass Fake News, Hasspostings, Cybermobbing & Co. im Internet immer häufiger und „effektiver“ werden: „Die Lösung lautet Medienkompetenz, doch leben wir in Medienwelten, in welchen Digital Immigrants und Digital Natives als Teilöffentlichkeiten weiter voneinander entfernt sind als ‚Bundesland Heute‘ und Snapchat oder TikTok.“
Videos
Hier finden Sie eine Youtube Playlist mit Vorträgen der Veranstaltung.
Fotos
Fotocredit: ÖÄK / Bernhard Noll