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Aktuelle Ärztestatistik: Massiver Nachbesetzungsbedarf im öffentlichen Gesundheitssystem

Ärztlicher Nachwuchs kann pensionsbedingte Abgänge nicht kompensieren. Dringend Maßnahmen zur Absicherung der Gesundheitsversorgung nötig.

Laut der aktuellen Ärztestatistik umfasst die Ärzteschaft in Österreich eine Kopfzahl von insgesamt 50.631 Ärztinnen und Ärzten. Diese unterteilen sich in 8.987 Turnusärzte, 12.901 Allgemeinmediziner, 28.618 Fachärzte und 125 approbierte Ärzte. Gegenüber 2022 ist die Zahl der Ärzte um 2,2 Prozent gestiegen, die Zahl der Turnusärzte um 4,9 %. Bei den Fachärzten gab es ein Plus von 3,1 %, bei den Allgemeinmedizinern ein Minus von 1,3 %. Diese Zahlen (Stand 31.12.2023) wurden von der Österreichischen Ärztekammer erhoben.

Die 28.618 Fachärzte teilen sich auf in 13.931 ausschließlich angestellte Ärzte, 8.106 Ärzte mit Ordination oder Gruppenpraxis, 5.081 gemischt tätige Ärzte und 1.500 Wohnsitzärzte. Und von den 50.631 eingetragenen Ärzten in Österreich sind 49,4 Prozent Frauen (25.041).

Ärztekammer warnt seit Jahren vor dem Pensionsknick

In den vergangenen 20 Jahren hat sich vor allem der Anteil der über-55-Jährigen beträchtlich vergrößert. Per 31.12.2023 waren 33,7 Prozent der Gesamtärzteschaft über 55 Jahre alt, während beispielweise zwischen 1990 und 2000 der Anteil konstant bei etwa 17 % lag. Die über-55-Jährigen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Regelpensionsalter oder werden es überschreiten. Zwar gibt es Ärztinnen und Ärzte, die auch nach dem Erreichen des Pensionsalters noch ärztlich tätig sind, jedoch verschiebt sich dieser Tätigkeitsbereich zunehmend in Sektoren, die außerhalb der Versorgungswirksamkeit im öffentlichen Gesundheitssystem liegen. Aus den 18.042 Ärzten, die in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter von 65 Jahren überschreiten, ergibt sich daher ein Nachbesetzungsbedarf von 1.804 pro Jahr, allein um eine Aufrechterhaltung des Status-quo zu gewährleisten.

„Ich kann nicht abstreiten, dass ich ziemliche Déjà-vu-Gefühle habe, schließlich weisen wir schon seit über zehn Jahren auf die Probleme dieser Altersstruktur hin“, kommentiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer diese Zahlen. „Dass die geburtenstarke Babyboomer-Generation irgendwann in Pension gehen wird, dafür braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten. Erschütternd ist vielmehr, dass auf diese vorhersehbare Problemstellung seitens der Politik über ein Jahrzehnt nur sehr zögerlich reagiert wurde.“ Der Nachwuchs reiche für den errechneten Nachbesetzungsbedarf bei Weitem nicht aus.

„Österreichweit gibt es jährlich 1.900 Studienplätze für Humanmedizin, ohne Berücksichtigung der Privatunis. Theoretisch könnte das reichen – wer das glaubt, vergisst aber einige wesentliche Faktoren“, betont Steinhart. „Rund 30 Prozent unserer Absolventen stehen aus unterschiedlichen Gründen nicht dem österreichischen Gesundheitssystem zur Verfügung. Daher ist auch die immer wieder geforderte Erhöhung der Medizinstudienplätze keine Lösung: Wir haben bildlich gesprochen einen Kübel mit einem erheblichen Loch drin. Dass es daher keine gute Lösung ist, einfach noch mehr Wasser hineinzuschütten, sollte offensichtlich sein. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Medizinstudium sehr aufwändig und kostenintensiv ist“, erklärt Steinhart. „Das Ausland würde sich sehr bedanken, wenn wir mit unserem Steuergeld noch mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden und sie dann gratis nach Europa exportieren.“

Der internationale Wettbewerb um Jungmediziner ist beinhart. Unsere Nachbarländer Deutschland und Schweiz locken mit attraktiven Angeboten. „Und gerade Deutschland ist einer der Hauptverantwortlichen für eine Sogwirkung durch ganz Europa, weil es jährlich gut 5.000 Ärztinnen und Ärzte weniger ausbildet, als es brauchen würde“, sagt Steinhart: „Die neue Generation möchte Beruf, Familie und Privatleben unter einen Hut bekommen können, Ärztinnen und Ärzte wollen ihre Kinder aufwachsen sehen, wollen sich auch abseits des Berufs verwirklichen, wollen Verantwortung für ihre Familie übernehmen, wollen mehr Flexibilität in ihrem Arbeitsalltag.“ Deshalb müssten sowohl Kassenverträge als auch die Arbeitsbedingungen im Spital flexibler werden.

Verschärfung durch die Politik

In der Gesundheitsversorgung habe die Politik die Situation der fehlenden Fachkräfte sogar noch verschärft, so Steinhart, „indem durch die so genannten Kostendämpfungspfade das öffentliche Gesundheitssystem immer mehr ausgehungert wurde“. Zusatz: „Wir haben gesehen, dass die immer wieder zitierten OECD-Zahlen, wonach Österreich die höchste Ärztedichte Europas haben soll, mit Vorsicht zu genießen sind. Auch wenn die Kopfzahlen steigen, bedeutet das noch lange nicht, dass unsere Versorgung gut funktioniert – übervolle Ambulanzen, fast 300 unbesetzte Kassenstellen und lange Wartezeiten belegen das.“

Die Gründe dafür sind leicht zu benennen: Die steigende Teilzeitquote bedingt höhere Kopfzahlen für die Aufrechterhaltung des Status quo. Der Wahlarztbereich legt ständig zu, während der Kassenbereich stagniert. „Das öffentliche System mit seiner Fünf-Minuten-Medizin kann immer weniger Ärztinnen und Ärzte begeistern und auch viele Spitalsärztinnen und Spitalsärzte ziehen eine Wahlarzttätigkeit vor. Es gibt auf dem Papier zwar mehr Ärztinnen und Ärzte, aber nicht im öffentlichen Gesundheitssystem“, rechnet Steinhart vor. Zudem werde ausgeblendet, dass sich die Bevölkerungsstruktur ändert: Die Zahl steigt, die Menschen werden älter und brauchen mehr medizinische Betreuung. „Einfach nur den Status quo über Jahre hinweg fortzuschreiben, wird sich irgendwann nicht mehr ausgehen“, so Steinhart. Daher muss dafür gesorgt werden, dass „dass ausreichend viele Ärztinnen und Ärzte gerne im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem arbeiten: „Das ist derzeit nicht der Fall.“

SERVICE: Die aktuelle Ärztestatistik ist ab sofort unter www.aerztekammer.at/daten-fakten abrufbar.



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